STRUKTUR, INNENWELT DER SEELE -
PERSÖNLICHKEITSANTEILE
„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“ – hat bereits Goethe geahnt.
Und wenn es nur zwei Seelen wären, wäre es sogar einfach. Aber im Laufe unseres Lebens und Erwachsenwerdens formen sich mehrere Persönlichkeitsanteile verschiedener Altersstufen, die Einfluss auf unsere Befindlichkeiten und Handlungen als erwachsener Mensch haben. - Es ist wichtig dies zu wissen, sonst können wir manchmal uns selbst nicht verstehen. „Was ich denke, dass es gut für mich ist, und was ich dann schließlich tue, sind oft verschiedene Dinge“ – hört man oft.
Oder wir sagen: „Ah, das war mein ‚innerer Schweinehund’, der mich meine guten Vorsätze nicht hat umsetzen lassen“.
Aber diese inneren Anteile von unserer Person haben in der Regel gute Absichten, auch dann wenn sie nicht gleich ersichtlich und uns manchmal Probleme bereiten.
Deshalb ist es wichtig, diese inneren Ich-Anteile und Facetten unserer Persönlichkeit während der Therapie möglichst gut kennenzulernen, um sie als Teil der Gesamtpersönlichkeit zu verstehen und zu integrieren, und um sie dann zu unserem Vorteil, sinnvoll einsetzen zu können. Der bewusste, erwachsene Ich-Anteil unseres Selbst, soll im Idealfall alle anderen, jüngeren Ich-Anteile überwachen und steuernd einsetzen können.
Wenn in frühen Lebensjahren etwas sehr Belastendes passiert, wie Tod der Eltern, Trennung, Misshandlung, schwere Vernachlässigung, ständige, unerbittliche Kritik und Entwertung durch Menschen auf die wir angewiesen waren, Mangel an Anerkennung, Lob und an Wertschätzung, Lieblosigkeit durch unsere Bezugspersonen, Gefühl unwillkommen oder unwichtig zu sein – dann bilden sich in diesem Alter Kindheits-Ich-Anteile, die nicht mehr wachsen, sondern in der Entwicklung stehen bleiben.
Die Zeit bleibt stehen für diesen Seelenanteil und der Mensch wird sich das ganze Leben wird er immer wieder sich bemühen das Erlittene nicht wieder zu erleben.
Diese Versuche gehen auch dann weiter, wenn dieser Mensch schon längst erwachsen und selbständig geworden ist und die Gefahr, dass sich die Abhängigkeiten, die Verletzungen und die Erlebnisse aus der Vergangenheit wiederholen, gar nicht mehr da ist.
Wenn zum Beispiel ein Mensch als 6-jähriger unter schweren Vernachlässigungsgefühlen litt oder Misshandlungen hilflos ausgeliefert war - dann bildet sich ein Kindheits-Ich-Anteil der Persönlichkeit, der sechs Jahre alt bleibt, auch wenn der Mensch schon längst erwachsen ist (was dieser Ich-Anteil nicht weiß) und gar nicht mehr so hilflos und alleine wie damals ist.
Dieser Ich-Anteil wird dann in das tägliche Leben mit seinen damaligen Gefühlen immer wieder einbrechen. Mann erkennt das dadurch, wenn ein relativ kleiner Anlass eine unverhältnismäßig starke Reaktion hervorruft. Er wird bis zur Selbstaufgabe alles tun, um bloß nie wieder verlassen oder enttäuscht, oder verletzt werden zu können. Dieser Kindheitsanteil erlebt und reagiert dann in der Gegenwart, im Hier und Heute, so als ob es immer noch Vergangenheit wäre – was dann natürlich nicht passen kann und zu Problemen führen muss. Man würde in Computersprache sagen, dieser junge Ich-Anteil keinen ‚Update’ zum Erwachsensein erfahren hat. Er weiß noch nicht, dass er bereits alles überstanden und hinter sich hat.
In der Therapie ist dann dementsprechend oft vom, z.B. wütenden Ich-Anteil oder vereinsamten oder hilflosen oder verletzten Ich-Anteil die Rede. - Auch verinnerlichte Bilder wichtiger Bezugspersonen, spielen eine wichtige Rolle. Dann wird z.B.: von kritisierenden Eltern-Ich-Anteil oder von misshandelnden Eltern-Ich-Anteil, von kalten oder von unerbittlich antreibenden Eltern-Ich-Anteil oder von liebevollen, überfürsorglichen Eltern-Ich-Anteil in unserer Seele gesprochen.
Das alles erleben wir draußen als verschiedene Facetten des Menschen und je nachdem welcher Ich-Anteil momentan „am Steuer“ der Person sitzt, sehen wir manchmal Verhaltensweisen die scheinbar nicht zum Menschen, die wir zu kennen glauben, passen.
Dieses gedankliche Model der Innenwelt der Seele, erhebt nicht den Anspruch auf absolute Wahrheit. Es dient nur als Landkarte, als gut funktionierendes Arbeitsmodel bei bestimmtenTherapiegesprächen.